12. Oktober 2023: Teilnahme Dieter Boedeker als Vertreter der DOK an einer Gedenksteinenthüllung in Osterby zur Erinnerung an die dortige Bruchlandung eines B-17 Bombers vor 79 Jahren im Zweiten Weltkrieg

Vorgeschichte

Am 8. September 2023 besuchte Herr Thorsten Schulz die DOK und traf sich dort mit Dieter Boedeker, der ihn durch die Ausstellung und zu den Gedenkstätten in Barth führte. Herr Schulz beschäftigt sich seit einiger Zeit mit der Bruchlandung  der „American Maid“, einem durch Flakbeschuss schwergetroffenen B 17-Bomber der USAAF unweit des kleinen Dorfes Osterby bei Flensburg am 11. April 1944.  Es waren sicherlich dramatische Szenen, die sich am Bord abspielten und das Dorf entging wahrscheinlich knapp einem direkten Flugzeugaufschlag. Von den 10 Besatzungsmitgliedern der American Maid überlebten nur sechs den Absturz.

Thorsten Schulz hat die Aufzeichnungen seines verstorbenen Großvaters durchstöbert und akribisch die damaligen Ereignisse recherchiert und sogar die Nachkommen und Verwandten der damaligen Crew ausfindig gemacht und ist mit Ihnen in Kontakt getreten. Ein Grund, weshalb er den Kontakt zur DOK suchte war, dass der Co-Pilot der American Maid, William F. Kleine II, als einziger der Überlebenden ins Kriegsgefangener Stalag Luft I kam.

Dieter Boedeker erhielt von der Gemeinde Osterby eine Einladung an der Gedenksteinenthüllung in Osterby und der damit verbundenen Feierlichkeiten teilzunehmen.

Kurzbericht von der Veranstaltung

Zunächst einmal, es gibt (mindestens) zwei Osterbys, gar nicht so weit voneinander entfernt. Eins liegt westlich von Eckernförde, in dem ich beinahe gelandet wäre, aber das richtige liegt westlich von Flensburg, fast schon in Dänemark. Hier, mitten im Nirgends, war ein Zelt aufgebaut und der von Thorsten Schulz initiierte Gedenkstein wartete daneben auf seine Enthüllung. Es waren wohl fast 100 Personen anwesend, darunter vier Familien der überlebenden US-Flieger sowie der US General Konsul in Hamburg, Jason Chue, der auch für Mecklenburg-Vorpommern zuständig ist.

Die Familien der Überlebenden + Thorsten Schulz (größte Person vor dem Baum) + US-General Konsul Jason Chue (neben dem Stein halb kniend). Die Nachfahren von William sind in der Mitte des Bildes hinter dem Gedenkstein
Die Familien der Überlebenden + Thorsten Schulz (größte Person vor dem Baum) + US-General Konsul Jason Chue (neben dem Stein halb kniend). Die Nachfahren von William sind in der Mitte des Bildes hinter dem Gedenkstein

Vor der Enthüllung des Gedenksteins, einem Findling mit einer aufgesetzten zweisprachigen Plakette, hielten u.a. der Bürgermeister von Osterby, Thomas Jessen, Initiator Thorsten Schulz sowie Sprecher der einzelnen amerikanischen Familien kurze Reden. Bürgermeister Jessen betonte, dass nach Allem was man weiß, an der Absturzstelle Menschlichkeit vorherrschte und die Überlebenden von den Dorfbewohnern gut behandelt und versorgt wurden. Bis zum Eintreffen von deutschen Soldaten wurden sie von Menschen aus Osterby und Medelby zwar festgehalten, aber mit medizinischer Ersthilfe und mit Erfrischungen versorgt. Bill Kleine, Sohn des Co-Piloten und späterem Kriegsgefangenen in Stalag Luft I, hob hervor, dass die Osterbyer dafür gesorgt hätten, dass sein Vater hier überleben konnte und fügte hinzu: „Das hier ist eine Feier, ein Zeichen dafür, dass es viele gute Menschen gibt, die nur eines wollen, Frieden“! Seine Schwester, Sarajane (Kleine) Steinecker, ergänzte: „Der Kreis der Geschichte dieses Flugzeugs, der American Maid, und seiner Besatzung hat sich heute geschlossen.“ John Benjamin Totushek, Neffe des in Folge seiner Verletzungen gestorbenen Piloten, machte deutlich: „Es war keine Frage, ob, sondern wo die Maschine abstürzt.“ So war es wohl ein großes Glück, dass Osterby und seine Bewohner nur um Haaresbreite einer Katastrophe entgingen, die Maschine noch über das Dorf hinwegflog und nicht gar in die voll besetzte Schule stürzte.[1] Durch Recherchen und Zeitzeugenbefragungen von Thorsten Schulz kam ans Licht, dass Osterby tatsächlich nur knapp einer Katastrophe entgangen sein muss, denn wäre der Bomber nur zehn Meter tiefer reingekommen oder wenige Sekunden früher durch die Wolken gestoßen, wäre er wohl ins Dorf gestürzt.

Die Gemeinde Osterby hatte hervorragende Rahmenbedingungen für die Veranstaltung im Zelt einschließlich Simultanübersetzung und danach geschaffen. Im nahen Gasthof in Medelby war dann bei Kaffee und Kuchen Zeit für Gespräche und Klönschnack mit den geladenen Gästen und Zeitzeugen. Ich habe mit der Familie Kleine zusammen gesessen und hatte einen intensiven Austausch mit dem Sohn von William F. Kleine II, Bill, sowie seiner Tochter, Sarajane und deren Nachfahren. Sarajane übergab mir für unser Archiv ein Exemplar eines von der Y.M.C.A. herausgegebenen gebundenen Heftes von 1945, welches über den Alltag von amerikanischen Kriegsgefangenen in deutschen Lagern während des zweiten Weltkriegs (am Beispiel von Stalag Luft I) berichtet (auch im Netz, aber als Originalkopie wohl extrem selten: https://repository.tcu.edu/handle/116099117/44181).

Ebenfalls für die DOK bestimmt sind ein von William F. Kleine II und anderen POWs in Stalag Luft I aus silbernem Kaugummi- bzw. Zigarettenpapier handgefertigtes Fliegerabzeichen (Wing) sowie ein Tagebuch, welche uns bei passender Gelegenheit von Thorsten Schulz überreicht werden wird und noch gut in unsere Stalag Luft I – Vitrine passen sollte.

William-F. Kleine II mit dem Original-„Wing“ über der Brusttasche seines Uniformhemdes mit seiner Frau kurz vor seiner Versetzung zum Kriegsschauplatz Europa
In Stalag Luft I von William F. Kleine II und anderen aus silbrigem Kaugummi- bzw. Zigarettenpapier hergestellter Wing

Auf Bitte von Thorsten Schulz habe ich nach dem Kaffeetrinken den Anwesenden kurz unseren Verein vorgestellt und den Familien der US-Flieger sowie dem Dorfchronisten je ein Exemplar unseres Buchs „Stalag Luft I“ + einen Flyer überreicht. Dabei durfte ich nicht vergessen, dass von der Crew nur William F. Kleine II im Stalag Luft 1 war. Den Anderen erging es schlimmer, denn sie kamen ins berüchtigte Stalag 17B nach Krems (heutiges Österreich), waren nach der Befreiung teilweise  traumatisiert und berichteten auch von einem Todesmarsch.

Nach dem Abendessen spielte Pauls Brass Band auf und als die ersten Tänzer loslegten, musste ich nach Kiel zum Übernachten aufbrechen.

Eine richtige Bigband spielt nach dem Abendessen zum Tanz auf

Es ist schon erstaunlich, dass die kleine Gemeinde Osterby alle Kosten für die Feierlichkeiten inklusive Essen und Getränke übernehmen konnte.

Besuch Tom Dolan bei der DOK vom 27.-28.08.2023

Am 26.8.23 erhielt ich Abends einen Anruf einer Bekannten. Sie säße auf der Granitz und unterhielte sich bei einem Bier gerade mit einem Amerikaner. Es war Tom Dolan, Sohn des ehemaligen Bordschützen einer B-24 Liberator (42-51312) und späteren Kgf. in Stalag Luft I, Sgt. John S. Dolan. Dolans Maschine erhielt am 27.12.1944 bei einem Einsatz über Kaiserslautern einen direkten Flakgranatentreffer. John Dolan und fünf weitere Crewmitglieder sprangen auf Aufforderung des Piloten noch im Zielgebiet ab und gerieten in deutsche Gefangenschaft.  Der Pilot, Jesse K. Whaley, und drei weitere Crewmitglieder verblieben im Flugzeug, konnten es aber nicht in der Luft halten und sprangen schließlich im bereits befreiten Belgien bei Brüssel ab. Sie überlebten und kehrten zu ihrer Basis in England zurück.

Ich verabredete mich mit Tom für den folgenden Tag und führte ihn durch die DOK und mit Gabi zu den Gedenkstätten und den Flugplatz. Am nächsten Tag machten wir noch einen Stadtrundgang durch Barth.

Tom war auf gut Glück nach Barth gekommen, da er wusste, dass sein Vater hier für einige Monate in Stalag Luft I als Kgf. war. Allerdings wusste er nichts von unserem Verein, der Ausstellung oder den Gedenkstätten. Umso erstaunter war er, dass es in Barth eine Erinnerungskultur an die Zeit zwischen 1933 und 1945 gibt.

Gedenkveranstaltung in Fünfeichen anlässlich 75. Jahre Lagerschließung am 23.09.2023

Die DOK erhielt am 27.6.2023 über Frau Bülow von der Stadtverwaltung eine Einladung des Oberbürgermeisters von Neubrandenburg, Silvio Witt. Dieter Boedeker hat teilgenommen und vor Ort Frau Bülow für die Einladung gedankt.

Die Gäste versammeln sich an der Gedenkstätte (Foto: D. Boedeker ©)

Kurzer historischer Abriss
In Fünfeichen bei Neubrandenburg existierten von 1939 bis 1948 auf dem Gelände des ehemaligen landwirtschaftlichen Gutes fünf verschiedene Lager.
Während des Zweiten Weltkrieges betrieb die deutsche Wehrmacht dort insgesamt drei Kriegsgefangenenlager für Gefangene aus elf Staaten (Stalag II A sowie die Offizierslager Oflag II E und Oflag 67). Bis zum Kriegsende wurden rund 120.000 Menschen aus elf Ländern gefangen gehalten und mussten Zwangsarbeit leisten – mehr als 6.000 von ihnen starben, darunter etwa 5.200 Rotarmisten. Im Sommer 1945 befand sich in Fünfeichen ein Repatriierungslager, in dem ehemalige Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge auf die Rückkehr in ihre Heimatländer warteten. Von 1945 bis 1948 war Fünfeichen Standort eines Speziallagers des sowjetischen Geheimdienstes NKWD, durch welches etwa 15.000 mutmaßliche Kriegsverbrecher gingen, unter ihnen zahlreiche Unschuldige. Bis 1948 starben in diesem „Speziallager Nr. 9“ weitere 15.000 Menschen. Es wurde vor 75 Jahren geschlossen.

Programm
– Grußwort: Silvio Witt, Oberbürgermeister der Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg,
Gedenkrede: Joachim Gauck, Bundespräsident a. D.
– Erlebnisberichte von Gefangenen: Lesung durch Schülerinnen und Schülern des Albert-Einstein-Gymnasiums
– Gemeinsame Kranzniederlegung von Schülerinnen und Schülern sowie Soldatinnen und Soldaten
– Die Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen lud im Anschluss zur Andacht mit Kranzniederlegung am Friedhof des NKWD-Speziallagers sowie zum
– Benefizkonzert des Heeresmusikkorps Neubrandenburg in die Konzertkirche Neubrandenburg ein (keine Teilnahme DB).

OB Witt sagte in seinem Grußwort, dass Fünfeichen exemplarisch für Unrecht, Unmenschlichkeit, Brutalität, Leid und Willkür stand. „Es ist ein Segen, dass wir heute nicht nur frei und offen leben können, sondern auch offen über das Unsagbare diskutieren können, das bis 1948 an diesem Ort, hier in Fünfeichen passiert ist.“ Er kritisierte das oftmals nostalgische und verzerrte Bild der DDR in den Köpfen vieler Menschen und die Rolle der DDR, die eine Gedenkarbeit lange verhinderte. „Menschen meiner Generation fragen sich oft, wie es nach Auflösung des Lagers dazu kommen konnte, dass Fünfeichen zu einem Schweigelager wurde.“

Altbundespräsident Gauck am Rednerpult vor rund 400 Gästen (Foto OZ ©)

Joachim Gauck hat in seiner Rede darauf hingewiesen, dass die Wehrmacht gefangene Soldaten und Offiziere der West-Alliierten weitestgehend entsprechend der Genfer Konventionen zum Umgang mit Kriegsgefangenen behandelt hat. Die Gefangenen der Sowjetarmee dagegen seien, wie in NS-Propaganda gefordert, als „Untermenschen“ behandelt und in Hunger, Krankheit und schließlich den Tod getrieben worden. Er spannte auch den Bogen zu der Zeit nach dem Krieg als im Speziallager durch die Sowjets ebenfalls Tyrannei und Morden an der Tagesordnung waren. „Sie alle erlebten die Beugung des Rechts durch das Recht des Stärkeren“. Für beide verbrecherischen Geschehnisse habe in der DDR der amtlich verordnete Heldenmythos der Sowjetunion keinen Raum für Empathie mit den Getöteten gelassen und im Westen seien diese Verbrechen im Gegensatz zum Holocaust auch nicht aufgearbeitet worden. Somit habe das Schicksal beider Gruppen lange „im Erinnerungsschatten“ in beiden Teilen Deutschlands gelegen.
Er sagte auch, „dass wir Zeugen gegenwärtiger Arroganz und Brutalität sind, mit denen ein neuer Moskauer Imperialismus Menschen um Recht und Freiheit bringen will“.
Gauck lobte ausdrücklich die Bemühungen der Opferorganisation Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen und der Stadt Neubrandenburg, die die Ereignisse dieser Zeit seit Längerem aufarbeiten.
Auf dem Weg zur Gedenkstätte protestierten einige Wenige friedlich gegen Gauck, indem sie auf zwei Transparenten Joachim Gauck als „Kriegsprediger“ bezeichneten und Friedenstaubenfahnen schwangen.
Anschließend lasen Schülerinnen und Schüler des Albert-Einstein-Gymnasiums aus Zeitzeugenberichten, sowohl von Kriegsgefangenen als auch von Insassen des Speziallagers.

Schülerinnen und Schüler des Albert-Einstein-Gymnasiums lesen aus Zeitzeugenberichten (Foto: D. Boedeker ©)
Schülerinnen und Schüler des Albert-Einstein-Gymnasiums lesen aus Zeitzeugenberichten (Foto: D. Boedeker ©)
Die Gedenkveranstaltung endet an den Gräbern der im Speziallager Gestorbenen (Foto: D. Boedeker ©)
Die Gedenkveranstaltung endet an den Gräbern der im Speziallager Gestorbenen (Foto: D. Boedeker ©)

Medienecho:
https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Bundespraesident-aD-besuchte-Gedenkstaette-Fuenfeichen,fuenfeichen136.html
https://www.nordkurier.de/regional/neubrandenburg/joachim-gauck-erinnert-an-schreckens-lager-fuenfeichen-1924629

Besuch von Debra und Don O’Connell in der DOK am 31.07.2023

Heute besuchten Debra O’Connell und ihr Ehemann Don aus Seattle (Waschington, USA) die DOK. Der Vater von Debra, Owen Lee Koontz, war von Anfang 1944 bis zu seiner Befreiung im Mai 1945 Kriegsgefangener im Barther Stalag Luft I. Lt. Koontz war im 2. Weltkrieg Pilot eines in Nordafrika stationierten B-26 Bombers der USAAF. Er wurde dreimal abgeschossen und geriet beim dritten Abschuss in Italien in deutsche Kriegsgefangenschaft. Da er verwundet war, kam er zunächst in ein Lazarett in Italien und schließlich von dort ins Stalag Luft I.  

Nach einer Führung durch die Ausstellung, begaben sich die Eheleute mit Dieter Boedeker von der DOK zum Gedenkstein auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers. Im Anschluss statteten sie auch dem Mahnmal für das Konzentrationslager in Barth Süd einen Besuch ab.  

Zurück in der DOK übergab Debra der DOK das originale „Tagebuch“1 von Owen mit Gedichten, Zeichnungen und Karikaturen aus seiner Zeit in Stalag Luft I. Dieses enthält auch eine Liste von 167 Büchern (mit Titel und Autorennamen), die er während seiner Gefangenschaft aus der Lagerbibliothek entliehen, gelesen und auch bewertet hatte (AA = superior, A = excellent, B = good, C = fair, D = poor). Dies ist von hohem historischem Interesse, denn bis jetzt war nicht bekannt, welche Buchtitel in der Bibliothek des Lagers vorhanden waren.  

Bevor uns Debra sein Tagebuch übergeben hat, hatte die DOK keine weiteren Informationen über Owen außer, dass er gemäß der Merkki-POW Liste im „South Compound“ einsaß. Eventuell stimmt das aber nicht, denn in seinem Tagebuch ist handschriftlich mit Bleistift vermerkt North 2, barracks 5, room 3. Was davon stimmt, bleibt erstmal ungeklärt.  

Owen starb am 20.05.2010 89 jährig. 

Übergabe des Kriegstagebuchs von Owen an die DOK
Owen Lee Koontz
Besuch von Deb und Don O’Connell auf dem ehemaligen Gelände des Stalag Luft I

Auf den Spuren des Vaters…

Vom 9. bis 10.1. erhielt die Dokumentations- und Begegnungsstätte (DOK) Besuch von Herrn Eddy Smythe aus England. Sein Vater, John Smythe, war von Ende 1943 bis zur Befreiung im Mai 1945 Kriegsgefangener der Luftwaffe im Stalag Luft 1, einem Stammlager für alliierte Kriegsgefangene in Deutschland und den seinerzeit von Deutschland besetzten Ländern, in dem vorwiegend Offiziere untergebracht waren. Wie viele Nachfahren von ehemaligen Kriegsgefangenen war er daran interessiert, die Örtlichkeiten kennen zu lernen, in denen sein Vater eineinhalb Jahre gefangen gehalten wurde.

Leutnant John Smythe, Träger des Ordens „Order of the British Empire“, stammte ursprünglich aus Sierra Leone in Westafrika. Er war einer der ersten schwarzen Offiziere in der Royal Air Force und Navigator in einem Stirling Bomber. Nachdem er auf dem Rückweg von einem Angriff auf Berlin von deutscher Flak und Jagdflugzeugen am 18. November 1943 angegriffen worden war, musste er aussteigen und gelangte so als Kriegsgefangener ins Stalag Luft 1.

Mitglieder der DOK zeigten Eddy Smythe die Gedenkstätte Stalag Luft 1 am Fuchsberg und führten ihn durch ihre Ausstellungsräume im Bürgerhaus. Ein weiteres Ziel war nach einem Besuch des KZ-Mahnmals das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers im Barther Fliegerhorst und der dortige Gedenkpfad. Dies war ein höchst emotionaler Moment, denn Recherchen von Helga Radau, der Ehrenvorsitzenden der DOK, hatten zweifelsfrei ergeben, dass John Smythy einer von vier alliierten Kriegsgefangenen war, die nach ihrer Befreiung angeführt von einem Arzt als erste ins KZ-Gelände kamen, um medizinische Hilfe zu leisten. Was sie dort an menschlichem Leid zu sehen bekamen, muss unbeschreiblich gewesen sein.

Eddy Smythe zu Besuch in der DOK Barth

Sohn Eddy sagte, dass sein Vater lange gar nichts von seiner Zeit als Kriegsgefangener erzählt hätte, nur, dass er trotz seiner Hautfarbe nicht anders behandelt worden sei als die anderen. Erst kurz vor seinem Tod 1996 gelang es seinem Sohn ausführlichere Informationen zu erhalten. Mit diesen erschütternden, für ihn völlig unerwarteten Eindrücken wird Eddy Smythe nun zu Hause selbst weiter recherchieren und die Mitglieder der DOK werden ihn dabei tatkräftig unterstützen. Im Sommer möchte er gerne mit seiner Familie wieder kommen. 

Dieter Boedeker

Nachruf auf Ignacy Golik

Wir trauern um Ignacy Golik, der am 31. August 2022 in seiner Heimatstadt Warschau im Alter von 100 Jahren verstarb. Leider erfuhren wir erst kurz vor Weihnachten von seinem Tod.

Ignacy Golik, ehemaliger Barther KZ-Häftling, kam am 19. Januar 1922 in Warschau zur Welt. Bereits als Schüler engagierte er sich nach dem deutschen Überfall auf Polen und der Besetzung Warschaus im polnischen Widerstand. Dort wurde er von den Deutschen im September 1939 zum ersten Mal verhaftet, konnte aber entkommen. Im Januar 1941 geriet er erneut in deutsche Gefangenschaft. Vom 01. Februar 1941 bis zum 28. Oktober 1944 war er Häftling in KZ Auschwitz, von Oktober bis November Häftling im KZ Sachsenhausen. Vom 11. November 1944 bis zum 29. April 1945 musste er als Häftling des KZ Barth in den Heinkel Flugzeugwerken Sklavenarbeit verrichten. Am 30. April 1945 trieb ihn die SS zusammen mit anderen KZ-Häftlingen auf einen „Todesmarsch“. Diese Tortur erschöpfte ihn total und er war dem Verhungern nahe, bevor ihn schließlich sowjetische Soldaten bei Rostock befreiten.

Später kehrte Ignacy Golik nach Warschau zurück, studierte Journalistik und arbeitete bis 1998 als Journalist bei verschiedenen Warschauer Zeitungen.  1964 war er Zeuge im Frankfurter Auschwitz-Prozess und half bei der Identifizierung von SS-Offizieren, die in Auschwitz eingesetzt waren.

Die Stadt Barth besuchte er mehrfach und berichtete als Zeitzeuge vor Schulklassen und anderen Gruppen über seine schrecklichen Erlebnisse. Alle Zuhörer waren von seinen detaillierten Schilderungen tief betroffen, aber auch sein ausgeprägter Sinn für Humor beeindruckte alle, die ihn kannten.

Oft wurde er gefragt, ob er die Deutschen hasse, worauf er antwortete, dass er zwar einzelne Menschen hassen könne, aber kein ganzes Volk. Viele seiner Mitgefangenen seien ja Deutsche gewesen.

Für sein unermüdliches Engagement gegen das Vergessen und für die Versöhnung erhielt er anlässlich seines 100sten Geburtstages, den er mit seiner Frau Eva, feierte, das Bundesverdienstkreuz.

Mit Ignacy Golik haben wir vermutlich den letzten Zeitzeugen verloren, der uns als Opfer des wohl schlimmsten Terrorstaates, den die Welt je erlebt hat, seine persönlichen Erfahrungen mitteilen konnte.

Kurzbericht Reichspogromnacht

Am 9. November gedachten Barther Bürgerinnen und Bürger der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland, die in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 einen vorläufigen Höhepunkt erfuhr. Waren beim morgendlichen Gedenken auf dem Barther Friedhof nur wenige dabei, war anschließend der große Saal im Bürgerhaus mit gut 200 Personen in Barth voll belegt. Viele Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen aus dem Barther Schulzentrum waren gekommen, um an einer Veranstaltung teilzunehmen, die die Klassen gemeinsam mit dem Förderverein Dokumentations- und Begegnungsstätte Barth e.V. vorbereitet hatten. In kurzen, sehr bewegenden Beiträgen verlasen Schülerinnen und Schüler Schicksale von Barther Juden während der Nazizeit, umrahmt von einer sehr anschaulichen Lichtbildpräsentation. Angesprochen wurden die Leiden der Familie Böhm, der Familie Sommerfeld, der Familie Brenner, der Familie Stern und der Familie Josephi. Sehr einfühlsam und passend war die musikalische Untermalung der Harfenistin Christine Hübner und des Pianisten Karsten Wolf. Unser besonderer Dank gilt Frau Küch und Herrn Pröschold sowie den Schülerinnen und Schülern, die an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung beteiligt waren.

Bericht: Dieter Boedeker

Die DOK im neuen Haus

Nach zweijähriger Corona bedingter Zwangspause konnte am 1. November 2022 endlich wieder eine Mitgliederversammlung des Fördervereins Dokumentations- und Begegnungsstätte Barth e.V. (DOK) in den Räumen des Bürgerhauses stattfinden.

Hier befindet sich in der 2. Etage inzwischen auch die sehr eindrucksvolle Ausstellung des Vereins, die die Geschichte der Stadt Barth in der Zeit des Nationalsozialismus behandelt. Inhaltliche Schwerpunkte sind u. a. das KZ Barth, deren Häftlinge unter unvorstellbar schrecklichen Bedingungen Zwangsarbeit für die Heinkel Flugzeugwerke am hiesigen Fliegerhorst leisten mussten und das Kriegsgefangenenlager der Luftwaffe (STALAG Luft I), in dem insgesamt fast 10.000 alliierte Flieger gefangen gehalten wurden.

Die Ausstellung ist jeweils mittwochs und donnerstags von 10 – 14 Uhr geöffnet. Auf Anfrage können auch außerhalb der Öffnungszeiten Führungen durch die Ausstellung vereinbart werden.

Der Verein verfügt darüber hinaus über ein umfangreiches Archiv von Zeitzeugenberichten und anderen Dokumenten sowie Karten und Fotos.

Hier können Besucher auch Informationen zum Gedenk- und Lernpfad KZ-Außenlager Barth und zur Gedenkstätte STALAG Luft 1 in Barth erhalten.

Auf der Mitgliederversammlung wurde ein neuer Vorstand gewählt, nachdem die langjährige Vorsitzende, Frau Helga Radau, gesundheitsbedingt nicht mehr kandidierte. Auf Beschluss der Mitgliederversammlung wurde sie Ehrenvorsitzende des Vereins.

Zur neuen Vorsitzenden wurde Frau Christiane Schuldt gewählt und als ihr Stellvertreter Herr Hans-Jürgen Engelmann. Frau Elke Engelmann fungiert weiterhin als Kassenwartin und Herr Dieter Boedeker wird neuer Schriftführer. Frau Heike Riemer sowie Frau Gabriele Boedeker sind fortan Beisitzende.

Foto: J. Pilgrim